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Zeitzeugenberichte III

Eberhard-Luettgau

Eberhard Lüttgau, Isingerode
verstorben am 03.06.2014

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Man ist dann auch mal eingesperrt gewesen, unter den Russen. Da hatten wir ne Villa, in Göddeckenrode. Und da wurde man dann auch mal eingesperrt. Und dann musste man auch mal Holzhacken oder so was. Man wurde dann aber auch wieder freigelassen. Aber wie die Volkspolizisten kamen, die waren zuerst auch relativ friedlich. Die hatten noch keine Möglichkeit zum Essen, und da wurden sie bei uns im Haus, wir hatte eine große Küche, verpflegt.

Das
waren so 5 Leute, glaube ich. Und da hatte man auch einigermaßen Möglichkeit, mit denen gut auszukommen. Später wurden die dann aber geschult, und dann wurden die auch unangenehmer, als die an der Grenze. Und da bin ich dann noch ein paarmal mit denen unangenehm zusammen gekommen. Als Besitzer war man sowieso schon ein bisschen verschrien. Das war dann auch mal wieder eine gute Seite von den Volkspolizisten, der hat dann meinen Vater gewarnt. Ich war damals hier in Göddeckenrode, war ja (in Isingerode) verheiratet, das ging damals ja, wurde aber immer schwieriger.

Da kam dann der eine Volkspolizist und sagte zu meinem Vater, sie werden morgen früh abgeholt zu der Aktion “Ungeziefer”. Zuerst wurde das hier noch zurückgestellt, weil noch die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen war. Die Russen hatten dann immer eine große Angst bei irgendwelchen Krankheiten. Und mein Vater wollte eigentlich nicht weg, und ich war zufällig drüben. Wir haben dann drüber gesprochen. Und dann haben wir einen Zettel ins Büro gelegt, mein Bruder, der in Göttingen studierte, sei schwer verletzt durch einen Verkehrsunfall und wir würden ihn besuchen und kämen am nächsten Tag zurück.

Ich bin dann in der Nacht vorweg, und mein Vater hat dann noch ein paar Papiere zusammen gesucht. Und dann hat er noch überlegt, was machen wir mit unserem Hund. Aus Angst, das er beim weggehen bellen würde, haben sie ihn dagelassen. Die Volkspolizei war nämlich auch mit Hunden unterwegs. Aber der Hund kannte den Weg zum Betrieb in Isingerode, weil mein Vater in manchmal mitnahm. Und so ist der Hund am nächsten Tag alleine nach Isingerode rübergekommen.

Es handelte sich ja nur um zwei Kilometer. Da war ja auch noch kein Stacheldraht. Da war garnichts, nur ne gepflügte Fläche. Die wurde dann immer geeggt. Und am anderen Morgen habe ich aus unserem Betrieb in Isingerode dort angerufen, da war schon ne Verbindung über Telefon. Da meldete sich jemand und sagte “Volkspolizei Göddeckenrode”. Ich erwiderte darauf, das ich wohl falsch verbunden sei, ich wollte die Mühle haben. Der Volkspolizist sagte: “ Das sind wir jetzt”. Da hatten die schon alles gesucht. Die hatten erst gedacht, meine Eltern hätten sich versteckt. Die hatten auch einen Möbelwagen mitgebracht. Ein paar Möbel hätte man ja mitnehmen können.

Dann haben sie die ganze Belegschaft in unser Esszimmer eingesperrt, und dann haben sie alle einzeln verhört, ob nicht doch einer wüsste, wo wir wären. Die Mühle wurde dann ein Volkseigener Betrieb (VEB). Da kamen dann Treuhänder, die haben dann immer zuerst für sich gearbeitet. In einer relativ kurzen Zeit waren dann drei oder vier Treuhänder dort. Die sind dann immer wieder abgelöst worden.

Man konnte damals, 1952, eigentlich immer in Göddeckenrode anrufen. Manchmal dauerte es nur etwas, bis man eine Verbindung bekam. Wir hatten damals ja hier (Isingerode) eine kleine Mühle, eine Roggenmühle. Und drüben (Göddeckenrode) eine Weizenmühle. Und zwischen den Betrieben hatten wir eine eigene Telefonleitung. Und die haben die Russen kaputt gemacht. Die sind im Juni oder Juli gekommen und im September haben sie die Leitung bemerkt.                        

Das eine mal haben wir mit einem Mitarbeiter der Mühle in Isingerode Ferkel nach Göddeckenrode gebracht. Da wir dort keine Sauen hatten, wurden die Ferkel bei einem Viehhändler in Insingerode gekauft. Dann haben wir sie in Papiersäcke gesteckt und sind am Hang entlang in Richtung Mühle nach Göddeckenrode. Auf dem Weg dahin haben die Ferkel gepinkelt und die Papiersäcke sind nass geworden. Durch das Aufweichen fielen dann plötzlich die Ferkel aus den Säcken. Zum Glück konnten die Ferkel mit der plötzlichen Freiheit nichts anfangen und sind nicht weggelaufen. Wir konnten sie dann schnell wieder einfangen.

Ein anderes Mal haben wir mehrere Ferkel auf einem Wagen transportiert. Damit sie nicht entdeckt werden, haben wir ne Ladung Stroh über sie ausgebreitet. Bei der Kontrolle fingen sie an zu quieken. Natürlich haben die Ost- Grenzer sie entdeckt. Wir mussten zur Kommandantur, die in Göddeckenrode in der Villa war. Das war noch zur Zeit als die Russen in Göddeckenrode waren. Der russische Kommandant wußte nicht so recht, was er machen sollte. Also bekamen wir die Ferkel wieder mit, aber die Russen kamen jeden Tag in den Stall und zählten die Ferkel nach. Das ging eine ganze Zeitlang so. Aber dadurch, das die Russen immer so ungefähr nach vier Wochen versetzt wurden, haben sie das wohl irgendwie nicht weitergegeben. Jedenfalls hörte dann irgendwann die Zählerei auf.

Die Post kam ja immer zur Mühle in Isingerode. Und ich hatte für die Ostzone und für die britische Zone jeweils einen Ausweis. Immer wenn ich über die Grenze wechselte, dann steckte ich den Ausweis den ich nicht brauchte,  in die innere Tasche meiner Jacke. Einmal war ich mit einem Mädchen aus Isingerode und einem Stapel Post unterwegs zur Mühle in Göddeckenrode. An der Grenze steckte ich die Ausweise um. In diesem Moment springt ein britischer Soldat aus dem Gebüsch und sagt zu mir: “Du Spion”. Er hatte das wegstecken und auswechseln der Ausweise gesehen.

Wir mussten die Arme hochheben und er begann uns zu durchsuchen. Dabei entdeckte er natürlich die gesamte Post. Wir mussten mit ihm nach Isingerode zurücklaufen. Dort kam am Iltschenkrug (noch heute befindet sich dort die Gaststätte) so ein komisches Fahrzeug. Unten hatte es Ketten, und oben war es ganz flach. Auf jeden Fall brachte es uns zur englischen Kommandantur. Die befand sich im Schloss in Hornburg. Ein englischer Offizier begann uns zu verhören. Da klopfte es an der Tür und eine junge Frau trat ein. Es war wohl die Freundin des englischen Offiziers. Mit einem Mal war sein Interesse an uns weg. Er befahl dem Soldaten uns wieder zurück nach Isingerode zu bringen.

Herrn Lüttgau vielen Dank für das nette Gespräch.

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